Home Index Archiv Kontakt Impressum
 

26.4.03


Plötzlich fing 'Vater' an zu weinen
"Das Genogramm zeigt die Verwandschaft der etwa 25 Jahre alten Frau 'Ich'. Sie wirkte verstört und führte zunächst die Repräsentanten für ihre Ursprungsfamilie auf ihre Plätze: 'Vater', 'Mutter', 'Ich' und ihren 'Bruder', der jünger ist als sie. Dann ging sie zur Seite und überließ die Repräsentanten ihren Empfindungen. In der Familie hatten Mutter, Tochter und Sohn positive Gefühle füreinander. Der Repräsent des Vaters spürte noch nichts. Die Tochter 'Ich' war sehr traurig. Dann wurden die Eltern und der ältere Bruder des Vaters hinzugestellt, und der "Vater" drehte sich zu seinen Eltern um. Auch dann spürte er nichts. 'Opa' und 'Oma' empfanden nicht viel für ihre Kinder, nur etwas Trauer. 'Onkel' war wütend auf seine Eltern. Plötzlich fing 'Vater' an zu weinen und sprach: 'Ich hatte die ganze Zeit nichts gespürt und war schon traurig deswegen. Aber jetzt erkenne ich, daß diese Leere und die Trauer darüber wirklich sind, zu meiner Rolle gehören'." (Spurensuche in Familienkonstellationen, Fallbeispiel 1)


"Ich unterdrückte eine Träne und fand es im nachhinein peinlich, dem Postbeamten auf seinen Frohes Staubsaugen!-Wunsch hin korrigierend den wahren Inhalt der Staubsaugerschachtel verraten zu haben, nur, weil ich nicht als jemand im Postbeamtenbewußtsein verankert werden wollte, der sich Staubsauger per Post liefern läßt." (Camp Catatonia anläßlich des Todes von Herbert Riehl-Heyse)


So long as pretensions to originality were abjured, representational content of all kinds was permitted.

"Just how this kind of historicism - that is, the transformation of historical depth into a menu of contemporary choices - came to pervade artistic thinking during the '80s requires a complex explanation in which the newer forms of art history played various parts. Certainly the emergence of a social art history cannot be assigned more than a portion of the responsibility for this development. More direct in its impact was the related but distinct grouping of writers drawn by Rosalind Krauss and Annette Michelson to October magazine in New York. Likewise dissenters from art history's established regime, their emphasis lay more centrally on the semiotic turn in the humanities, and their suspicion of painting was thorough and programmatic. Among the October writers' shared preoccupations, the one that bore most directly on the thinking of younger artists was the undecidability that they inserted between an original object or gesture and its proliferation of doubles. This theoretical stance did more than undermine the last defenses of unique synthetic creation as a requirement for artistic seriousness (these were pretty much finished anyway); it had the perhaps unintended effect of putting the artwork onto the same plane as mass-produced products of all kinds, including, most importantly, the images generated by the entertainment industries. So long as pretensions to originality were abjured, representational content of all kinds - 'pictures,' in Douglas Crimp's parlance - was permitted."
   (Thomas Crow: Marx to Sharks. On the Art-Historical '80s. In der April-Ausgabe des Art Forum)


Diagnosis of some putative malady can simply be turned around to generate a recipe for its successful reproduction


"Simply put, the modern consumer economy began as an enterprise limited to those with the free time and ready cash to occupy the new spaces of organized leisure. And they were expensive. The new department stores - at once the encyclopedias and ritual temples of consumption - grew spectacularly by supplying the newly affluent with the necessary material equipment and, by their practices of sales and promotion, effective instruction in the intangible requirements of this novel sphere of existence.
Even to think in these terms of course entailed conjuring the forbidden spirit of Marx - poisonous heresy to an established hierarchy of troglodytic art historians bereft of higher intellectual culture. My group of unprejudiced undergraduates, however, could easily travel where most art-history professionals could not, and my most striking feedback from the student side came in a conversation with a graduating senior. Her keenest ambition had been to work as a buyer for a chain of upmarket department stores. In her job interview, she rehearsed precisely this critical-historical account of the nineteenth-century origins of the department store and its surrounding culture of consumption - and found herself hired on the spot.
It struck me at the time that my student's canny use of the course content was a surer sign of learning than the customary moralizing critique of consumerism as manipulated false consciousness. And I hadn't really grasped until then how easy it was simply to subject that Left position to a kind of reverse engineering: Diagnosis of some putative malady can simply be turned around to generate a recipe for its successful reproduction. Indeed, such a reversal, in the absence of any foreseeable change in the economic status quo, would constitute the surer empirical confirmation of that diagnosis."
   (Thomas Crow: Marx to Sharks. On the Art-Historical '80s. In der April-Ausgabe des Art Forum)


"Tagsüber kann man dann schon mal einen Ausflug in die Poblaciones wagen, solange man nicht prollig seine Digitalkamera raushängen läßt und die Ghetto-Romantik lieber mit der wegwerfbaren Quicksnap fotografiert." (Nik Winter in "Lodown", einem Berliner Hochglanzmagazin für Skaterkultur über "Chile im Schatten der Anden")
 

25.4.03


Hintergrund Hitler


"... hier porträtierte er auch sein erstes Mädchen mit Monokel mit einer Begeisterung, der viele seiner späteren Modelle - wie Paloma Picasso - zum Opfer fielen. Vor dem Hintergrund der persönlichen Entwicklung entstand gleichzeitig auch ein neues politisches Deutschland, das den ambitionierten Lehrling zum staatenlosen Flüchtling machte." (Aus einem Bericht über den jüdischen Emigranten Helmut Newton in der diesjährigen Frühjahrsausgabe des Kundenmagazins des KaDeWe, dem Berliner Premium-Warenhaus der Kaufhauskette Hermann Tietz - die aber schon zum Zeitpunkt ihrer Arisierung 1933 HERTIE hieß.)
 

24.4.03
 

23.4.03


Chileninnen stehen auf Mitteleuropäer
"Oder man wird von den Landestöchtern abgelenkt, die trotz der katholisch-konservativen Prägung Chiles gerne mal ihren braunen Teint flashen und um die Blicke der Gringos konkurrieren. Gringo ist eigentlich ein südamerikanisches Schimpfwort für arrogante Nordamerikaner, das in den Ohren eines blonden Mitteleuropäers jedoch auch wie ein Kosename erster Kategorie klingen kann. Denn Chileninnen stehen auf Mitteleuropäer. Zumal wir im Durchschnitt alle einen Kopf größer sind als die einheimischen Männchen, deren Wachstumshormone aufgebraucht sind, noch bevor die ersten Haare am Sack sprießen. Entsprechend fühlt man sich schon mal wie Brad Pitt, wenn man locker durch die immer überfüllte Fußgängerzone schlendert und sich die Blicke der Chicas wie hormongesteuerte Harpunen in den eigenen Körper bohren." (Nik Winter in "Lodown", einem Berliner Hochglanzmagazin für Skaterkultur über "Chile im Schatten der Anden")


Tommy is a kiddie fiddler



Ich gebe zu, ich habe mir "Lodown" nur gekauft, weil sie eine hellblaue 35 ins Zentrum des Covers gedruckt haben und die glanzvolleren Publikationen nicht in mein ungewaschenes Tagesprofil paßten. Wenn eine "Zeitschrift für Populärkultur und Bewegungskunst" mit der 35 sympathisiert, könnte ich vielleicht noch immer auf einem australischen Black Dawn Disasta Board in die Debilität rollern oder meinen fröhlichen Körper mit einem schlammfarbenen Lacoste-Jersey bespannen. Ich wußte im Zeitungsladen noch nicht, daß Skatingfunktionäre inzwischen Hexenverbrennungen empfehlen und es "Lodown" gelungen ist, den Leibhaftigen zu identifizieren.
"So be it", schreibt ein tabloider Götz Werner in seinem seltsamerweise ins Englische übersetzten Auslöschungspamphlet: "If paedophiles are the 21st century witches, they should not just be hunted but burned." Er meint neben Gary Glitter vor allem Pete Townshend, der sich von Hexenjägern verfolgt fühlt, seit eine Sondereinheit der britischen Polizei und die zuständigen Boulevardorgane zu einer symbiotischen Einheit verschmolzen sind. "Tommy is a kiddie fiddler", schreibt Götz Werner nicht ohne Stolz auf die neue staatstragende Wirkkraft seines subkulturellen Fremdsprachenerwerbs und lanciert einen Mobilmachungsaufruf an alle Guten, die sich in den Milieus rund um die Halfpipe gegen den Teufel verteidigen: "Your neighbour could be a paedophile, and you don't even know it."
Vor nichts ist man sicher und wenn man Pornografie mit der Kreditkarte zahlt, auch nicht vor den Internetpatrouillen einer hochaufgeweckten Polizei. Die hat nun von der Homeland Security Behörde gelernt und kündigt einen arbeitsplatzerhaltenden Kampf über Jahre an, während noch das autistischste Gymnastikblatt von "The Sun" und der Bild-Zeitung lernt, wie man dabei tatkräftig hilft: "Paedophiles are the living anti-christs, and they need to be eradicated, by any means necessary."
Das ist Ersatzpolitik in den Zeiten präventiver Kriege. Wer gar nicht weiß, wofür er sich entscheiden soll, hat immer noch die Kinderschänder. Sie sind das absolut Böse an der Heimatfront. Alles ist relativ, aber die Perversen sollte man kastrieren, teeren, federn und ausradieren. Vierteilen und kremieren, und anschließen in alle Winde verstreuen. Dann ist aber wieder Schluß mit Politik.
"One day he snapped and decided he had enough of his office life and he abruptly resigned to concentrate on making music - music that was trying to fight down the political situation that was eating up Dudley and his friends' lives." Damit man in der Berliner Suburbanität entspannt Dudley 'Manzie' Swaby feiern kann, muß vorher jemand für Ordnung sorgen. Unter synthetischen Law and Order Bedingungen erlaubt der individuelle Lebensstil dann ein absolut libertäres Oberflächendesign.
 

22.4.03


"Ein KÜNSTLER sollte was KÖNNEN"
(Mehrheitsmeinung im Diskussionsforum des Mercedes Benz-Fan-Clubs "Verein der Heckflossenfreunde", unter dessen Mitgliedern der Vorschlag keine Zustimmung fand, zwei von Thomas Hirschhorn bei der Documenta 11 eingesetzte Mercedes 123 für das clubeigene Museum in einer Onlineauktion zu ersteigern. Eine weiße und eine silberne Limousine waren mit dem Startpreis von je 123,00 EUR angeboten worden.)



Tokio.


"A 36 inch waist is acceptable, 38 is just greedy"
"A young gay fraternity is dressing up, showing out and letting their bodies take care of themselves. All those pumped-up body fascists who tried to emulate a traditionally 'straight' physique are suddenly looking so, well, so 90s. They are the modern equivalent of the 70s clones who heralded biker couture as their own, only to end up as comic and futile as the Village People. A new breed, bored with the muscly homogeneity of the clubs that greeted their enlightenment, don't care for hour upon tedious hour of body worship." (Paul Flynn im Guardian vom 18. April, propagiert durch Malorama)


"Faunt your paunch with pride"
"Larger boys have always been big with girls. I've choked on my pint when female friends have confessed to their deviant fantasies about Peter Kay, Ricky Gervais or even Johnny Vegas. The payoff line is always the same. Funny is sexy." (Paul Flynn im Guardian vom 18. April, propagiert durch Malorama)


"The search returned 405 directorships, concentrated in a handful of industries: finance and insurance (64 directorships); energy and utilities (53); telecoms and software (39); healthcare and pharmaceuticals (26); and defence (22). The directors included 82 former members of the senate and house of representatives, 54 former overseas ambassadors, 52 retired senior government bureaucrats, 38 one-time generals and admirals, 32 cabinet secretaries, 25 state governors, four vice presidents and one president (Gerald Ford, who sits on Citibank's board)." (The Economist, "The suits inside the battledress", 17. April)


"Solange die Liebe nur unsere eigenen Züge trägt, darf sie ruhig vergessen werden." / "Wo ein Zuviel herrscht, muss ein Zuwenig den Ausgleich bringen." (Sentenzen am 22. April 2003 auf mediumflow ~ Novus Orbis Terrarum)


"At least 3,248 people were sentenced to death last year in 67 countries, according to Amnesty International. More than half of these were in China, where 1,921 death penalties were imposed. Pakistan, Kenya and Sudan each sentenced more than 100 people to death. However, the number of reported executions was lower than the number of death sentences. At least 1,526 people were executed in 2002. At the end of 2002, the death penalty had been scrapped either in law or in practice by 112 countries. Turkey and Cyprus joined this group during the year." (Der Economist in der Rubrik Markets & Data am 17. April)




"Ånnika hat das Bett schon aufgebaut. Das Bett heißt Gutvik oder Vøgelsjøn. Der Schwede ist ein glückliches Volk. Nur wenn er was erleben will, dann muß er mit der Fähre fahren." (Kvara Bistroj 1999 im Salbader über das Massivholzjugendbett, für dessen Namensgebung sich die IKEA-Pressesprecherin Sabine Nold bei einer empörten Redakteurin der Bild-Zeitung entschuldigt hat.)
 

21.4.03


"Nach Ansicht der Experten kann Liebe tatsächlich dauerhaft zum Wahn werden und sollte dann auch medikamentös mit neueren, so genannten Neuroleptika behandelt werden. Der Liebeswahn - auch 'Paranoia erotica' genannt - ist eine seltene wahnhafte Störung, die in der Regel als Begleiterscheinung mit anderen psychischen Erkrankungen auftritt. Primäre Formen werden nur sehr selten beobachtet. Bezeichnend für die Erkrankung ist nach Angaben der Ärzte die feste Meinung des Patienten, dass die Liebe auf Gegenseitigkeit beruht." (Quelle: Der Nervenarzt, Vol. 72 Nr. 11 [2001] S. 879 - 883)


"Eine Krankheit ist jeder Zustand, aus dem heraus ohne fachliche Hilfe das Erreichen von körperlichem, seelischem oder geistigem Wohlbefinden unmöglich ist." (Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren DHS e.V.: "Frau Sucht Gesundheit - Ich will da raus!")
 





    Listed on BlogShares